Therapie statt Haft: Die Bedeutung von § 35 BtMG

Im deutschen Recht gibt es eine wichtige Regelung für Menschen, die aufgrund einer Drogenabhängigkeit straffällig geworden sind: den § 35 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG). Dieser Paragraph ermöglicht es, die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe unter bestimmten Voraussetzungen für bis zu zwei Jahre zurückzustellen. Das Ziel ist klar: Statt die Strafe sofort zu vollziehen, soll der Verurteilte die Chance erhalten, eine Therapie zu machen und so aus dem Teufelskreis der Abhängigkeit auszubreiten. Doch wann genau greift diese Möglichkeit und welche Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein? Wir beleuchten den rechtlichen Rahmen und aktuelle Gerichtsentscheidungen, die die Anwendung des § 35 BtMG prägen.

Der rechtliche Rahmen und die Bedeutung von § 35 BtMG

Der § 35 BtMG ist eine zentrale Vorschrift im deutschen Betäubungsmittelrecht. Er erlaubt die Zurückstellung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe um bis zu zwei Jahre. Die Kernidee dahinter ist, dass die Straftat in direktem Zusammenhang mit einer Betäubungsmittelabhängigkeit steht und der Verurteilte bereit ist oder sich bereits in einer therapeutischen Behandlung befindet. Das übergeordnete Ziel ist es, die Therapie zu fördern und so zukünftige Rückfälle zu verhindern. Dies dient nicht nur dem Wohl des Verurteilten, sondern auch dem gesellschaftlichen Interesse an der Reduzierung von Kriminalität im Zusammenhang mit Drogenkonsum.

Voraussetzungen für die Zurückstellung der Strafvollstreckung

Damit eine Zurückstellung nach § 35 BtMG in Betracht kommt, müssen mehrere entscheidende Kriterien erfüllt sein:

  • Nachgewiesene Betäubungsmittelabhängigkeit: Es muss zweifelsfrei feststehen, dass der Verurteilte tatsächlich abhängig ist. Das Gericht prüft dies sorgfältig, oft gestützt auf medizinische Gutachten oder andere schlüssige Beweismittel.
  • Therapiebereitschaft und -beginn: Der Verurteilte muss ernsthaft bereit sein, an einer Behandlung teilzunehmen. Dies bedeutet nicht nur eine formale Zusage, sondern auch eine konkrete Planung und den tatsächlichen Beginn der Therapie. Die Bereitschaft umfasst die Unterwerfung unter die Therapiebedingungen, die Einhaltung der Hausordnung, die Befolgung der Anweisungen der Therapeuten sowie die Erfüllung etwaiger Auflagen der Vollstreckungsbehörde.
  • Kein Zweifel an der Therapiewilligkeit: Verhaltensweisen, die die Ernsthaftigkeit der Therapiewilligkeit infrage stellen, können eine Ablehnung der Zurückstellung rechtfertigen. Dazu gehören beispielsweise wiederholte Regelverstöße während einer vorherigen Behandlung, Fluchtversuche oder die Ablehnung einer Therapie, obwohl bereits frühere Therapieerfahrungen vorliegen.

Aktuelles Urteil: Wann mangelnde Therapiewilligkeit zur Ablehnung führt

Ein aktueller Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLG, 203 Vas 3/25) vom 11. März 2025 verdeutlicht die Bedeutung der Therapiewilligkeit. Das Gericht stellte fest, dass die Ablehnung einer Zurückstellung nach § 35 BtMG wegen fehlender Therapiewilligkeit Ausnahmecharakter habe. Das bedeutet, eine Ablehnung ist nicht die Regel, sondern muss gut begründet sein.

In dem vom Bayerischen Obersten Landesgericht entschiedenen Fall ging es um die Frage, ob die Vollstreckungsbehörde die Freiheitsstrafe eines Verurteilten wegen dessen Betäubungsmittelabhängigkeit vorübergehend zurückstellen durfte, um ihm eine Therapie zu ermöglichen. Das Gericht betonte in seiner Entscheidung, dass eine solche Ablehnung nur dann greift, wenn der Verurteilte sich unverantwortlich verhält oder die Chancen auf eine erfolgreiche Behandlung durch sein Verhalten ernsthaft gefährdet.

Konkret ging es um einen Verurteilten, der im Jahr 2023 im Maßregelvollzug in besonders verantwortungsloser und leichtfertiger Weise Therapiechancen vergeben hatte. Obwohl er bereits therapieerfahren war, beging er verschiedene Regelverstöße, verschloss sich der Fortsetzung der Therapie und floh sogar aus dem Vollzug. Solche Verhaltensweisen waren für das Gericht ein deutliches Zeichen dafür, dass der Verurteilte die Therapiechancen nicht ernsthaft verfolgte. Es sei verantwortungslos, so das Gericht, wenn jemand eine Therapie beginnen möchte, aber dann durch Regelverstöße und Fluchtversuche zeigt, dass ihm die Behandlung eigentlich egal ist oder er sie nur vortäuscht.

Das Gericht hob hervor, dass die Vollstreckungsbehörde bei ihrer Entscheidung einen Ermessensspielraum hat und auf Basis der vorliegenden Fakten entscheiden darf, ob die Voraussetzungen für eine Rückstellung gegeben sind. Im konkreten Fall hatte die Behörde den Sachverhalt sorgfältig geprüft und war zu dem Schluss gekommen, dass das Verhalten des Verurteilten die Annahme der mangelnden Therapiewilligkeit rechtfertigt. Das Gericht bestätigte diese Einschätzung und sah keinen Grund, die Entscheidung aufzuheben.

Die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts unterstreicht, dass die Voraussetzungen für eine Rückstellung der Vollstreckung nur dann vorliegen, wenn der Verurteilte ernsthaft bereit ist, an einer Therapie teilzunehmen, und wenn sein Verhalten dies auch widerspiegelt. Eine bloße formale Zusage reicht nicht aus; es bedarf einer tatsächlichen Bereitschaft, die Therapie durchzuführen und sich den damit verbundenen Anforderungen zu stellen.

Der § 35 BtMG bietet also eine wichtige Möglichkeit für suchtkranke Straftäter, den Weg in ein drogenfreies Leben zu finden. Die Zurückstellung der Strafvollstreckung ist jedoch an klare Bedingungen geknüpft, bei denen die Therapiebereitschaft des Verurteilten im Vordergrund steht. Gerichte und Vollstreckungsbehörden prüfen genau, ob diese Bereitschaft authentisch ist und das Verhalten des Verurteilten nicht gegen eine erfolgreiche Therapie spricht. Der aktuelle Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts zeigt deutlich: Wer die Chance auf eine Therapie bekommt, muss diese auch ernsthaft ergreifen.

Neuer THC-Grenzwert im Straßenverkehr: Alles, was Sie jetzt wissen müssen

Neuer THC-Grenzwert im Straßenverkehr:
Alles, was Sie jetzt wissen müssen

Seit der Teillegalisierung von Cannabis im April 2024 ist der Besitz von bis zu 25 Gramm für Erwachsene in Deutschland erlaubt. Doch wie wirkt sich diese Änderung auf die Teilnahme am Straßenverkehr aus? Ein entscheidender Aspekt ist der neue gesetzliche THC-Grenzwert, der am 22. August 2024 von 1,0 auf 3,5 Nanogramm pro Milliliter Blutserum angehoben wurde. Dieser Beitrag beleuchtet die Bedeutung dieser Regelung, die Kritik daran und was das für Autofahrer bedeutet.

Was hat sich geändert?

Vor der Gesetzesänderung galten in Deutschland strenge Grenzwerte für den THC-Gehalt im Blutserum von Autofahrern. Der vorherige Wert von 1,0 Nanogramm basierte auf einer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH). Ein Überschreiten bedeutete empfindliche Strafen wie Bußgelder, Fahrverbote und Punkte in Flensburg. Mit dem neuen Grenzwert von 3,5 Nanogramm reagiert die Gesetzgebung auf die Herausforderung, gelegentlichen Konsum und Fahrtüchtigkeit besser zu vereinbaren.

Warum der neue Grenzwert?

Die Erhöhung auf 3,5 Nanogramm basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, die eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit erst ab dieser Schwelle als gegeben ansehen. Vergleichsstudien legen nahe, dass dieser Wert ungefähr einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille entspricht. Ziel ist es, Konsumenten zu schützen, die Stunden nach dem Konsum nicht mehr beeinträchtigt sind, jedoch immer noch Restwerte im Blut haben könnten.

Herausforderungen bei der Umsetzung

Obwohl der neue THC-Grenzwert für mehr Gerechtigkeit sorgt, gibt es weiterhin Kritik. Fachverbände und politische Vertreter sind sich uneins, ob 3,5 Nanogramm zu hoch oder zu niedrig ist. Zum Vergleich: In Kanada liegt der Grenzwert bei 10 Nanogramm. Auch die Messverfahren stehen zur Diskussion. Speicheltests gelten als praktikabel, aber ihre Genauigkeit ist umstritten, insbesondere bei chronischen Konsumenten. Blutproben sind in Zweifelsfällen unverzichtbar, um präzise Werte zu erhalten.

Konsequenzen für Autofahrer

Die Überschreitung des neuen Grenzwertes führt gemäß § 24a StVG zu einer Geldbuße von mindestens 500 Euro und einem Fahrverbot. Besonders für Fahranfänger und junge Fahrer gelten strengere Regeln. Verstöße können mit einem Bußgeld von 250 Euro geahndet werden. Ein Alkoholverbot in Kombination mit Cannabis-Konsum ist ebenfalls zu beachten: Bei Verstößen drohen Geldstrafen bis zu 5.000 Euro.

Der neue THC-Grenzwert ist ein Schritt in Richtung modernerer Regelungen im Straßenverkehr. Doch trotz dieser Anpassung bleibt die Diskussion um angemessene Werte und verlässliche Messmethoden lebendig. Autofahrer sollten sich gut informieren und bei Unsicherheiten im Zweifel von einer Fahrt absehen.

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