Unsere Kinder wachsen heute in einer Welt auf, in der Selfies, Likes und Stories so selbstverständlich sind wie früher das Tagebuch oder das Fußballspielen nach der Schule. Doch was passiert, wenn Eltern getrennt leben – und das digitale Leben des Kindes zur neuen Frontlinie wird?
Zwischen Trennung und TikTok – Wenn das Smartphone zum Schauplatz elterlicher Konflikte wird
Trennungen sind schwer – für Eltern, aber vor allem für Kinder. Während früher vor allem Besuchszeiten und Unterhalt besprochen wurden, spielt heute das Handy des Kindes eine immer größere Rolle in elterlichen Auseinandersetzungen:
- „Ich möchte, dass unsere Tochter mir jeden Abend während des Umgangs kurz schreibt.“
- „Warum darf mein Sohn ohne meine Zustimmung auf TikTok posten?“
- „Ich habe unser Kind auf dem Instagram-Account meines Ex-Partners gesehen – das will ich nicht!“
Diese Konflikte sind real – und sie nehmen zu. Denn das digitale Leben ist nicht weniger bedeutsam als das reale. Gerade bei Trennungen wird es zum Symbol für Nähe, Kontrolle und Einfluss.
Fotos, die verletzen – Wenn Kinder zum „Content“ werden
Ein Beispiel aus der Praxis: Eine Mutter meldet sich, weil ihr Ex-Mann regelmäßig Bilder ihrer fünfjährigen Tochter auf Instagram postet – meist harmlos wirkende Motive: beim Eisessen, beim Turnen, auf dem Spielplatz. Doch sie wurde nie gefragt. Die Kleine taucht inzwischen auf fast jedem dritten Bild im Profil des Vaters auf – öffentlich einsehbar.
Die Mutter empfindet das als Grenzüberschreitung. Sie sagt: „Ich möchte nicht, dass das ganze Internet meine Tochter sieht. Und ich will schon gar nicht, dass sie zur Kulisse wird.“
Was viele Eltern nicht wissen: Fotos von Kindern dürfen nicht ohne Zustimmung beider sorgeberechtigter Eltern veröffentlicht werden. Das ergibt sich aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Kindes und dem Recht am eigenen Bild (§ 22 KunstUrhG).
Auch ein WhatsApp-Profilbild oder Statusbeiträge können heikel sein. Und: Je älter das Kind, desto stärker zählt auch sein eigener Wille. Ab etwa 14 Jahren spricht man Kindern eine eigenständige Einwilligungsfähigkeit zu – vorher entscheiden die Eltern gemeinsam.
TikTok, YouTube & Co – Wer bestimmt über die digitale Identität des Kindes?
Ein anderes Beispiel: Ein Vater meldet sich, weil seine zehnjährige Tochter plötzlich einen TikTok-Kanal hat – eingerichtet von der Mutter. Die Tochter tanzt darauf zu aktuellen Songs, spielt kleine Szenen nach, manchmal mit Freunden. Der Vater ist entsetzt: „Das ganze Internet kann mein Kind sehen. Ich wurde weder gefragt noch informiert.“
Was hier oft übersehen wird: Die Eröffnung eines Social-Media-Accounts ist keine Bagatelle.
Es handelt sich um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung, bei der beide Eltern entscheiden müssen, sofern sie gemeinsam sorgeberechtigt sind.
Denn:
- Persönlichkeitsrechte des Kindes stehen auf dem Spiel.
- Plattformen wie TikTok oder Instagram speichern Daten dauerhaft.
- Inhalte können kopiert, verändert oder missbraucht werden.
Wenn Eltern sich hier nicht einig werden, muss auf Antrag eines Elternteils das Familiengericht entscheiden, wem die Entscheidungskompetenz in dieser Frage übertragen wird (§ 1628 BGB).
WhatsApp beim anderen Elternteil – Nähe oder Störung?
Ein häufiger Streitpunkt: Das Kind ist beim Vater, doch das Handy vibriert ständig. Mama schreibt: „Wie war der Tag? Was macht ihr gerade? Ruf mich bitte an, wenn du ins Bett gehst.“
Die Intention ist oft liebevoll – aber problematisch. Denn: Der Umgang soll dem Kind die Möglichkeit geben, Zeit mit dem anderen Elternteil zu erleben – ungestört. Ständige Kommunikation mit dem abwesenden Elternteil kann das untergraben.
Gerichte urteilen hier differenziert:
- Bei kleinen Kindern mit Trennungsängsten kann eine kurze Nachricht sinnvoll sein.
- Bei älteren Kindern sollte Vertrauen in die Umgangszeit Vorrang haben.
- Eltern, die ständige Erreichbarkeit einfordern, geraten schnell in den Verdacht, den Umgang und damit auch den anderen Elternteil kontrollieren zu wollen.
In der Regel wird das Familiengericht hier darauf drängen dem Elternteil, der Umgang hat auch den Freiraum zu geben, diesen Umgang ohne ständigen Kontakt zum anderen Elternteil gestalten zu dürfen.
Ausnahmen bestätigen aber die Regel – manchmal erfordern die Bedürfnisse des Kindes auch andere Wege.
Wenn Kinder selbst posten – zwischen Selbstdarstellung und Selbstgefährdung
Ab einem bestimmten Alter wollen viele Kinder mitreden, mitmachen, dazugehören. Sie drehen eigene Videos, tanzen, erzählen aus ihrem Alltag oder zeigen, was sie können.
Was harmlos beginnt, kann schnell gefährlich werden – etwa wenn:
- persönliche Daten preisgegeben werden,
- peinliche Inhalte online bleiben,
- Kinder über familiäre Konflikte oder andere belastende Themen sprechen.
Auch wenn Kinder sich selbst zeigen, bleiben Eltern in der Verantwortung. Dieser Verantwortung gerecht zu werden, ist schon für nicht getrennte Eltern schwierig. Sie müssen begleiten, aufklären, schützen. Nicht mit Drohungen, sondern mit Gesprächen. Mit Verständnis statt Verboten.
Ein offener Dialog ist oft der beste Schutz – rechtlich wie emotional. Sind sich die Eltern aber nicht mal untereinander einig wird es noch schwieriger.
Mein Rat als Fachanwältin für Familienrecht: Reden Sie – bevor das Gericht entscheidet
Digitale Themen gehören heute selbstverständlich zum Familienrecht. Sie sind emotional, komplex – und oft unterschätzt.
Darum mein Appell an getrennte Eltern:
- Reden Sie miteinander, auch wenn es schwerfällt.
- Treffen Sie klare Absprachen zur Mediennutzung.
- Halten Sie fest, was erlaubt ist – und was nicht.
- Nehmen Sie Ihr Kind mit in die Verantwortung – altersgerecht und ehrlich.
Und wenn Sie nicht weiterkommen, scheuen Sie sich auch nicht, Hilfe von außen in Anspruch zu nehmen. Wenn die in diesem Bereich nicht schnell zu einer gemeinsamen Lösung kommen lassen Sie im Ergebnis Ihr Kind in einer herausfordernden Situation im Regen stehen. Vergessen Sie dabei nicht, ein kleiner Fehler in der digitalen Welt, kann große Auswirkungen haben.
Als Fachanwältin für Familienrecht in Augsburg berate ich in Scheidungs-, Unterhalts- und Sorgerechtsangelegenheiten. Im Vereins- und Verbandsrecht unterstütze ich bei Satzungsfragen und Streitigkeiten. Ich lege Wert auf kompetente und einfühlsame Beratung in allen Rechtsbereichen, die ich vertrete.