Warum Jugendliche nicht wie Erwachsene behandelt werden sollten – Die Bedeutung des Jugendstrafrechts

Jugendliche begehen Straftaten – und die Gesellschaft ruft nach harten Strafen. Doch ist das wirklich sinnvoll? Warum gilt für Jugendliche ein eigenes Strafrecht? Und warum schützt das Jugendstrafrecht nicht nur die Täter, sondern auch die Gesellschaft? Als Fachanwältin für Strafrecht möchte ich in diesem Beitrag zeigen, warum es richtig – und wichtig – ist, Jugendliche nicht wie Erwachsene zu behandeln.

Jugendstrafrecht verfolgt andere Ziele als das Erwachsenenstrafrecht

Während im Erwachsenenstrafrecht vor allem Sühne und Abschreckung im Vordergrund stehen, geht es im Jugendstrafrecht primär um Erziehung und Prävention. Jugendliche sollen durch die Strafe lernen – nicht gebrochen werden.

Das Jugendgerichtsgesetz (JGG) orientiert sich dabei am Gedanken der Resozialisierung. Es berücksichtigt die besondere Lebenssituation und Entwicklungsphase junger Menschen. Wer noch nicht ausgereift ist, soll nicht wie jemand behandelt werden, der voll verantwortlich handelt.

Jugendliche denken, fühlen und handeln anders

Neurowissenschaftliche Studien belegen: Das menschliche Gehirn – insbesondere der präfrontale Cortex, zuständig für Impulskontrolle und Weitsicht – ist oft erst mit Mitte 20 vollständig entwickelt.
Jugendliche handeln häufiger spontan, emotional und unter Gruppendruck. Sie lassen sich leichter beeinflussen und haben ein anderes Risikobewusstsein als Erwachsene. Genau deshalb braucht es angepasste strafrechtliche Reaktionen.

Härtere Strafen bedeuten nicht automatisch mehr Sicherheit

Ein verbreiteter Irrglaube ist: Härtere Strafen verhindern Straftaten. Tatsächlich zeigen Studien, dass pädagogisch orientierte Maßnahmen – wie Sozialstunden, Anti-Gewalt-Trainings oder Täter-Opfer-Ausgleich – nachhaltiger wirken als bloße Strafen.

Jugendstrafrecht will nicht verharmlosen, sondern vorbeugen. Und zwar durch individuell angepasste Maßnahmen, die Rückfälle verhindern und die Jugendlichen wieder auf einen positiven Weg bringen.

Das Gesetz differenziert bewusst zwischen Alter und Reife

Das deutsche Strafrecht kennt klare Altersstufen:

  • Unter 14 Jahren: strafunmündig – keine strafrechtliche Verantwortung
  • 14–17 Jahre: Jugendliche – es gilt zwingend das Jugendstrafrecht
  • 18–20 Jahre: Heranwachsende – je nach Reifegrad kann Jugendstrafrecht angewendet werden
  • Ab 21 Jahren: Anwendung des Erwachsenenstrafrechts

Das Gericht prüft bei Heranwachsenden genau, ob jugendtypische Umstände oder Reifeverzögerungen vorliegen – ein wichtiger Schutzmechanismus gegen unangemessen harte Bestrafung.
Das Jugendstrafrecht ist kein „Kuschelkurs“, sondern ein durchdachtes Instrument, um junge Menschen zu erziehen statt zu zerstören. Wer heute als Jugendlicher einmal falsch abbiegt, soll die Möglichkeit haben, den Weg zurückzufinden – zum Nutzen der Gesellschaft.

 

 

Cornelia McCready

Seit 2001 bin ich als Fachanwältin für Strafrecht in Augsburg nahezu ausschließlich auf dem Gebiet des Strafrechts und Ordnungs­widrig­keiten­rechts sowie deren Nebenfolgen tätig.

Seit 2001 bin ich als Fachanwältin für Strafrecht in Augsburg nahezu ausschließlich auf dem Gebiet des Strafrechts und Ordnungs­widrig­keiten­rechts sowie deren Nebenfolgen tätig.